Bettgeschichten der Psychiatrie

eine Ausstellung des MuSeele im Christophsbad.
Wegen coronabedingtem Zutrittsverbot des Klinikums nur für Mitarbeiter und Patienten!

Kopf- und Fußteile von alten (mehr als 70 Jahre) Holzbetten, die wahrscheinlich auf Privatstationen benutzt wurden. Zu sehen sind sie an verschiedenen Orten des Klinikums.

Bettgeschichten von eins bis zehn

Eins: Bettbehandlung

Seit den 1890er Jahren wird die Bettbehandlung propagiert. „Die Bettruhe ist das souveräne Mittel zur Bekämpfung der psychischen Erregungszustände! Die Bettbehandlung aller aufgeregten Geisteskranken verschafft der Irrenanstalt erst vollends den Wert und auch äußerlich das Ansehen eines Krankenhauses, das sie sein soll und will!“ (Neisser, 1927, S-232) Die Psychiatrie will es den allgemeinen Krankenhäusern gleichtun: „Ruhekuren für Nervöse“. Andererseits ist die Bettbehandlung kontraproduktiv, da sie Inaktivität, Isolierung, Regression und autistisches Verhalten fördert.

Zwei: Bettensaal

Noch vor gut 40 Jahren hatte das Christophsbad Bettensäle mit bis zu 20 Betten. In den getrennten Frauen- und Männerstationen herrschten strikte Disziplinierung und vorgeschriebene Ruhezeiten. Es fehlte eine Intimsphäre und auch ein wenig persönliches Ambiente. Dagegen bieten Zwei- und Dreibettzimmer überschaubare soziale Kontakte und fördern die Kommunikation. Die Entwicklung zum anspruchsvollen regelhaften Ein- oder Zweibettzimmer ist noch lange nicht abgeschlossen.

Drei: Schlafen

ist lebenswichtig. Körperliche und seelische Störungen sind häufig von schlechtem Schlaf begleitet. Da ein wesentlicher Teil unserer Lebenszeit vom Schlaf beansprucht wird, ist es wichtig hier sorgsam zu sein. Hilfreich können Hinweise der Schlafhygiene sein. Schlaftherapie als psychiatrische Behandlungsmaßnahme ist aus der Mode gekommen.  Schlafentzug wird gelegentlich angewendet bei bestimmten Formen der Depression. Zwei einfache Sprichwörter sind weise: Wie man sich bettet, so liegt man. Und: Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.

Vier: Träumen

ist eines der faszinierendsten Phänomene des Menschen. Siegmund Freud widmet sich in seiner Psychologie dem Traum als dem „Königsweg zur Seele“. Der bewussten Kontrolle entzogen können Trauminhalte auf bedeutende und problematische Aspekte unserer Lebensführung hinweisen. Der Begründer der Psychoanalyse sah darin eine wesentliche Grundannahme. Aber auch im allgemeineren Sinn bedeutet Träumen das Über-sich-hinweg-denken, das Zulassen von Utopien, das Schwelgen in Phantasien, also etwas zutiefst Menschliches.

Fünf: Enuresis nocturna und senile Bettflucht

also nächtliches Einnässen im Kindesalter ab dem fünften Lebensjahr kann Symptom einer komplexen körperlichen oder seelischen Störung sein. Senile Bettflucht ist eine Scherzbezeichnung für das veränderte Schlafbedürfnis älterer Menschen. In beiden Fällen sind nicht körperliche Krankheiten, sondern vielmehr die psychosozialen Umstände im Vordergrund. Beides kann sehr heftig und störend sein und dann auch psychotherapeutische Hilfe erforderlich machen.

Sex: Bettgeschichten

Wirkliche „Bettgeschichten“ also Sexualität in der Psychiatrie ist ein Tabuthema. Als in den achtziger Jahren die Männer- und Frauenstationen zu gemischtgeschlechtlichen zusammengelegt wurden, befürchteten einige Mitarbeiter*innen „Sodom und Gomorra“. Die Situation hielt sich aber in Grenzen. Sexuelle und Liebes-Beziehungen unter Patienten*innen sind therapieabträglich und ein möglicher Nachwuchs ist eher unerwünscht. Übergriffiges Verhalten muss verhindert werden. Aber auch unterdrückte Triebe können zum Problem werden. Außerdem gibt es bestimmte Verhältnisse zwischen Therapeut*in und Patient*in, die nicht sein sollen, dürfen.

Sieben: Der Mond

Mondsüchtige Menschen stehen nachts schlafend auf, wandeln umher und verrichten zum Teil sogar Tätigkeiten. Das Schlafwandeln kann spontan auftreten oder ist provoziert durch äußere suggestive Einflussnahme. Die medizinische Wissenschaft ging einige Zeit von einem unheilvollen Mondeinfluss aus. Man sah im Mond zum Beispiel die Ursache für Epilepsie, Tollwut oder Wahnerkrankungen. Manche Menschen galten als besonders anfällig. Sie wurden als „Mondsüchtige“ bezeichnet. Im Englischen gibt es das Wort „lunatic“ in vielen Zusammenhängen mit der Bedeutung toll, irre, verrückt. Ein „lunatic asylum“ ist ein Irrenhaus. Seit der Mondlandung durch uns Menschen hat der Respekt vorm Mond etwas nachgelassen. Schlafwandeln in lateinisch heißt Somnambulismus.

Acht: Fixierung im Bett

Unruhige und aggressive, selbst- und fremdgefährdende Patienten wurden und werden immer wieder ihrer Bewegungsfreiheit beraubt und festgebunden, räumlich eingeengt, angekettet, fixiert. Dazu dienten Kisten, Stühle, Gummizellen, Netze und Anderes. Heute üblich ist die Fixierung im und am Bett mit Gurten, die Arme-, Beine- und Rumpfbewegungen einschränken. Der Patient oder die Patientin schaut an die meist kahle, weiße Decke und beruhigt sich vielleicht auch mit Hilfe einer Beruhigungsmedizin. Das Bett erhält so auch in diesem Zusammenhang die Konnotation der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins.

Neun: Nachtmahr

Ein Schreckgespenst, welches in einem Traum auftaucht (englisch: nightmare) oder auch ein Albtraum, der sehr unangenehm ist und Angst bereitet. Unsere Märchen und Mythen berichten häufig von solch merkwürdigen Gestalten und Begebenheiten. Es gibt auch Darstellungen in der Kunst und Musik. Dämonisches, Okkultes, Unheimliches, psychologisch Abgründiges: „Schwarze Romantik“.  Irgendwie gehört es wohl zu unserem kulturellen Erbe und ob sein Einfluss schaurig amüsant oder eher angsteinflößend ist, hängt entschieden von der jeweiligen Persönlichkeit ab.  Siehe auch Gothic Novel, Horror- und Schauergeschichten sowie das übergeordnete Genre der Phantastik.

Zehn: Schlaflabor

Mittels der Polysomnographie werden im Schlaflabor verschiedene Parameter wie EKG, Sauerstoffsättigung im Blut, Atmung und Hirnströme registriert und analysiert. So wird festgestellt, in welchem Ausmaß der Schlaf der Patienten von Gesunden abweicht und welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen. Diese reichen von einfachen Empfehlungen und Ratschlägen unter anderem zur Verbesserung der Schlafhygiene, über Absetzen oder Neuverordnung von Medikamenten bis hin zu nächtlichen Schlafmasken mit apparativer Luftzufuhr. Schnarchen, Schlafapnoe, Restless-Legs-Syndrom, REM-Schlafverhaltens-störungen, schlafbezogene Epilepsie, Einschlaf- und Durchschlafstörungen, so lauten einige der häufigsten Diagnosen der Schlafmedizin. Das Schlaflabor im Klinikum Christophsbad existiert seit 2003.

 

 

 

Datum

16 Nov 2020 - 31 Dez 2021
Vorbei!

Uhrzeit

8:00 - 18:00

Veranstaltungsort

Klinikum Christophsbad
Christophsbad Göppingen, Faurndauerstraße 6-28, 73035 Göppingen

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